lunes, 18 de febrero de 2013

357 Tage Chile und ein Blogeintrag

Ich habe eine Weile überlegt, ob ich einen Blogeintrag über meine dreiwöchige Reise nach Paraguay, zu den Iguacu-Wasserfällen, nach Bolivien und Argentinien verfasse, aber irgendwie ist mir mehr danach, eine kleine Zusammenfassung meines Auslandsjahres in Chile zu liefern. Mal schauen, was mir dabei in den Sinn kommt.

Wenn ich zwei Dinge hier in Südamerika richtig gelernt habe, dann sind es Spanisch und Geduld. Auf den Folgerängen liegen wohl Geduld, Geduld, Geduld, Geduld, viele Erkenntnisse darüber, wie man sich in einem neuen Umfeld akklimatisiert und ein wenig Vehemenz. Während der sprachliche Aspekt wohl kaum weiterer Erläuterung bedarf, kann man zum Punkt Geduld durchaus einige Worte verlieren. Ich habe so viele Stunden an Busbahnhöfen und auf Ämtern verbracht, habe so oft mitansehen müssen, wie Chilenen Zeit "verschwenden", dass ich lernen musste, meinen deutschen Effizienzdrang zumindest hintanzustellen (ein Beispiel: wenn du einen Freund abholst und direkt neben einem Supermarkt stehst, würdest du wahrscheinlich direkt einkaufen und dann nach Hause gehen, oder? Ein Chilene läuft erstmal zwanzig Minuten nach Hause, legt seine Sachen ab, trinkt eine Limo, nimmt einen Anruf entgegen, und geht dann den Weg zurück, um einzukaufen). Im Prinzip eine gute Sache, kann man so das Leben doch oft wesentlich stressfreier auf sich zukommen lassen.

 Das Leben auf sich zukommen lassen - hier im Fluss Trancura beim Raften :D

Das mit der Akklimatisierung ist wirklich lustig. Wenn ich hier auf Deutsche treffe, dann weiß ich ganz genau, worüber sie sich beschweren werden und was sie gut finden: Fruchtsäfte sind zu süß, Santiago teuer, Completos (also Hot-Dogs mit Unmengen Soße) schmecken kacke, den Tütenpackern im Supermarkt geb ich doch kein Trinkgeld, Chilenen sind freundlich und so weiter und so fort. Auch ich fand am Anfang viel Essen und einige Bräuche "komisch" oder direkt "falsch", doch anstatt dass jemand mich von der "Richtigkeit" dieser Dinge überzeugt, gewöhnt man sich einfach mit der Zeit daran und irgendwann ist es dann ganz normal, jeden Morgen den Kaffee instant zu trinken, zu Partys, die offiziell um sieben anfangen, zur "klassischen Partyzeit" (Zitat meine Freundin) um 10 Uhr einzutrudeln, und sich ständig um die Sicherheit von alles und jedem zu sorgen.

So gegen 10 - klassische Partyzeit mit Bier des Hauses!

Vehemenz lernte ich gar nicht so sehr in Chile, aber wer einmal ein paar Tage in Bolivien oder Paraguay verbracht hat, weiß, was ich meine. Irgendwann hat man einfach keinen Bock mehr, dass der zahnlose Idiot hinterm Tresen 3,50 € von dir verlangt, weil er dir ein bezahltes Ticket auf einen anderen Zettel überträgt. Die sind da wirklich raffiniert im Erfinden von Gründen, weshalb man ihnen ein Bestechungsgeld schuldet. Einmal hab ich 20 Minuten mit einem Typen an der Gepäckaufbewahrung diskutiert, weil er mir 4 statt der üblichen 2 Euro abknöpfen wollte, bis er dann meinte "Es ist ja bald Mitternacht, dann fängt ja der neue Tag an, ich belasse es dir zum halben Preis." Dreister, fetter Penner! ....denkt man dann.

 Eisgekühltes Bier: Wichtig, wenn man sich mit Bolivianern rumschlagen möchte

Gelernt habe ich selbstverständlich auch viel über die "idiosincracia latinoamericana", wie sie es hier gerne nennen, also Lebensart und Selbstsicht der Südamerikaner und natürlich vor allem der Chilenen, sowohl in meinen Geschichtskursen an der Universität als auch mit Freunden. Bemerkenswert bei allen Südamerikanern ist dabei das "compartir", also das "teilen" oder "Zusammensein", wie man es übersetzen könnte. Hier kauft nicht jeder sein eigenes Bier, sondern es wird eins gekauft und alle trinken draus (ja, sogar direkt aus der Flasche) und wenn einer der Freunde gerade kein Geld hat, schießen die anderen für ihn etwas zu, und das gilt nicht nur für die klassisch "armen" Studenten.

Auch zum Reisen habe ich mein Auslandssemester ausgiebig genutzt und kenne nun vom Norden bis in den Süden fast alle großen Städte Chiles sowie eine ganze Menge Orte in Bolivien, Paraguay und Argentinien. Eine Liste mit Foto-Highlights  wird wohl einen weiteren Blogeintrag nach sich ziehen, aber hier reicht es festzuhalten, dass noch genügend Orte übrig bleiben, um ein oder mehrere Male nach Südamerika zurückzukehren :).

Oft werde ich gefragt, ob mir Chile gefallen hat und ob ich zurückkommen würde, und beide Fragen kann ich definitiv bejahen. Nach der anfänglichen Auslandseuphorie durchlebte ich ein Zwischentief im Mai, doch ab Juni ging es stetig bergauf und inzwischen habe ich hier eine gewisse Routine entwickelt, die ich auch noch eine Weile durchziehen könnte: Aufstehen, gemütlich frisches Brot kaufen, frühstücken, durch die Mittagssonne spazieren, Teechen trinken, Mittagessen, Nickerchen und abends was auch immer, und das alles bei mindestens 25 Grad :).

Am Dienstag, den 26.2., werde ich um 18 Uhr in Deutschland landen. Wer mich also begrüßen möchte, ist jederzeit eingeladen, bei mir zu Hause vorbeizuschauen. Ab dem 2.3. wird außerdem meine Freundin Giovi mit ihrem Sohn für knapp einen Monat bei mir zu Besuch sein und wir werden unter anderem nach München, Passau, Essen, Bonn und vielleicht noch ein paar andere Orte fahren. Wer also glaubt, zufällig in der Nähe zu sein und Lust auf einen Kaffee hat oder seine Spanischkenntnisse auffrischen möchte, der schreibe mir eine Nachricht!

Giovi, meine Schwester Jessica, ich und Martín


Obwohl ich es mir offenhalte, hier noch einen oder zwei Beiträge zu verfassen, bedanke ich mich bei deser Gelegnheit schonmal bei allen fleißigen und treuen Lesern für ihre Rückmeldungen und Anmerkungen sowie natürlich auch ganz allgemein für die vielen Konversationen, die mich den Kontakt nach Hause haben aufrecht erhalten lassen. Danke und bis bald!