sábado, 17 de noviembre de 2012

Chile hinter den Kulissen

Zeitverschiebungen


 Gestern war ich mit einem Freund einen Kurzfilm drehen bzw. als "Schauspieler" agieren, wenn man das bei mir so nennen kann. Treffpunkt war um 3, er kam um 3 hier an und wir mussten noch 20 Minuten zum Drehort laufen, doch wir aßen erstmal gemütlich zu Mittag und erklärten dann unsere Verspätung damit, ich hätte noch Unterricht gehabt. Das ist ungewöhnlich - meist fragt erst gar keiner bzw. verlangt eine Erklärung. Die Leute kommen halt, wenn sie kommen. Punkt.


Netter Kontrast: Ein Freund antwortet mir auf meine Anfrage nach einem baldigen Gespräch über Skype lapidar: "1.12.?" Das war am 15.11. Meine Freundin schreibt mir heute um 12 eine SMS: Heute Nachmittag können wir zum Geburtstag meines Cousins gehen, so am Nachmittag. Überhaupt, der Nachmittag. Er heißt hier "tarde", fängt um 12 Uhr mittags an und endet gegen 10 Uhr abends. Wenn man also eine Aktivität in diesem Zeitraum plant, was selbstverständlich häufig vorkommt, kann man den genauen Zeitpunkt relativ frei interpretieren.
Als Deutcher hat man dabei das Privileg, dass man einerseits so wie alle zu spät kommen kann, einem aber andererseits die Fähigkeit zugesprochen wird, im Zweifelsfall pünktlich zu erscheinen (stimmt ja auch meist , für Chilenen aber halt nicht :P ).

 

"Der Chilene"


 Methodologische Anmerkung: Ich rede in den folgenden Abschnitten sehr viel über "die Chilenen". Das tue ich deshalb, dass ich von so vielen Leuten fast identische Aussagen betreffend der unterschiedlichen Themen bekommen habe, dass ich mir diese Verallgemeinerung erlaube.
 
Wenn man sich über die Chilenen im allgemeinen informieren möchte, kann man das auf zwei Arten tun: Will man etwas Positives hören, fragt man einen anderen Ausländer. Der erzählt einem, dass die Chilenen gastfreundlich sind (was uns Ausländern mit fehlenden sozialen Kontakten und dem Wunsch, Anschluss unter Chilenen zu finden, entgegenkommt), sich für einen interessieren, Essen oder Trinken immer brüderlich miteinander teilen und generell buena onda sind.
Will man dagegen etwas Schlechtes über Chilenen hören, fragt man andererseits... einen Chilenen!?!? Exakt. Der erzählt einem, dass "der Chilene" dich beklaut, bescheißt, sehr unzuverlässig ist, eine fürchterliche Arbeitsmoral hat, meint, alles über Chile zu wissen, obwohl er noch nie aus Santiago rausgekommen ist, gerne hinter dem Rücken über Verwandte und Bekannte herzieht und noch einige weitere schlechte Angewohnheiten mehr. Die Wortwahl kommt daher, dass die Chilenen sich regelrecht echauffieren über ihre eigenen Landsmänner und nicht an Anekdoten sparen, um diese Beschreibungen zu unterstreichen. Mich schockieren diese Tiraden regelmäßig, aber ich gewöhn mich dran.

Und was sage ich über den Chilenen? Er diskriminiert sowohl positiv (gegenüber Hellhäutigen und natürlich vor allem der weiblichen Variante davon) als auch negativ (dementsprechend alles mit dunklerer Hautfarbe oder "andinem" Aussehen: Bolivianer, Peruaner, Kolumbianer, etc. pp.) mit dem Sonderfall der Argentinier: Die sehen nämlich normalerweise recht europäisch aus, sind aber häufig arrogante Penner (sagt die Stimme des Volkes Chile und ich auch) und deswegen ebenfalls und zurecht unbeliebt. Homophobe Gefühle sind ebenfalls immer noch weit verbreitet (die Anzahl von Redewendungen wie z.B. "ihm ist die Milch verbrannt", um jemanden als "Schwuchtel" zu beschimpfen, ist wahrhaft erstaunlich).

Schließlich besitzen äußerst viele Chilenen die fast schon schizophrene Eigenschaft, die in diesem Beitrag beschriebenen schlechten Eigenschaften der Chilenen zwar hervorzuheben, aber unterschwellig dann doch irgendwie zu entwerten, denn die Chilenen leben ja in einem "país subdesarrollado" (unterentwickeltes Land) und außerdem "ist der Chilene halt so." Aha.

Erst denken, dann fragen


Es gibt so etwas wie einen Kanon der neugierigen Fragen, die dir jeder Chilene beim ersten Zusammentreffen stellt, und immer in derselben Reihenfolge. Ich weiß nicht, ob das in anderen Ländern auch so ist oder ob es daran liegt, dass ich keine einsilbigen Antworten gebe, oder am Interesse der Chilenen an Ausländern. Man muss allerdings dazu sagen, dass dieses im Regelfall sehr oberflächlich ist. Sobald man weiter in die Tiefe geht als "Ich bin aus Frankfurt, das liegt im Zentrum von Deutschland", erschöpft sich nicht nur die Zuhörbereitschaft schnell, oft auch das Allgemeinwissen. Dann hört man Fragen wie: "Gibt es in Deutschland eigentlich auch 'Ethnien'?"

 Die meiner Meinung nach aber schrecklichste aller Fragen ist: "Und welche Ecken von Santiago hast du schon gesehen?" Klingt zunächst unverfänglich, doch wenn man dann wahrheitsgemäß antwortet, dass man sich dort aufgehalten hat, wo alle Ausländer sich aufhalten, also in Santiago Centro, Ñuñoa, Providencia, Las Condes, Vitacura, La Reina und vielleicht mal Peñalolén, dann geht's los.


"Dann hast du also noch nie das 'richtige',, das 'wahre' Santiago gesehen, das Santiago 'des Volkes." Was sie damit meinen: Man hat sich nur in den bürgerlichen Vierteln der Mittel- ud Oberschicht aufgehalten. Dabei schwingt, mal mehr und mal weniger, der Vorwurf mit, man wäre ignorant oder ein reicher Schnösel, der das "echte Chile" gar nicht kennenlernen möchte." Meine Gegenfrage:"Gibt es einen Grund, warum ich in diese Gegenden gehen sollte? Um mich überfallen zu lassen? Um armen Menschen beim Leben zuzuschauen?" Das reicht aber nicht, um den Durchschnittschilenen zu befriedigen, irgendwie merkt man, dass ihm die Antwort nicht gefällt. Aber was bilden die sich denn ein? Dass man keine Vorstellung davon hat, was "arm" bedeutet? Dass man sich quasi weigert, dorthinzugehen, um sich nicht mit der "Unterschicht" abgeben zu müssen? Was ein Schwachsinn.

 Mein Block, dein Block?


Genau das ist allerdings auch ein Indikator für eine der in meinen Augen größten Hemmnisse der chilenischen Gesellschaft: Der "Klassismus". Wenn ein Chilene einen anderen Chilenen kennenlernt, stellt er ihm bis spätestens nach fünf Minuten die drei magischen Fragen: "Auf welche Uni gehst du/bist du gegangen?",  "Auf welche Schule bist du gegangen?" und "Wo wohnst du?" Dabei gibt die Angabe des Viertels an, ob deine Eltern reich oder arm sind, die Angabe der Schule darüber hinaus, ob du einen ausländischen Hintergrund hast oder dich für was Besseres hältst (obwohl du das ja sowieso schon tust, wenn du in den bösen bürgerlichen Vierteln wohnst) und schließlich dient die Frage nach der Uni, ob deine Eltern wirklich reich sind oder "nur so tun", denn das Wohnen in einem böses Reichenviertel und das Besuchen einer bösen teuren Uni machen dich automatisch zum schmierigen Snob. Wobei dazu gesagt werden muss, dass gute Schüler wie in einem vorherigen Beitrag erwähnt auf die öffentlichen Unis gehen. Wenn du also sagst "Ich gehe auf die Universidad de Chile" und wohnst in einem bösen Reichenviertel, bist du zwar immer noch böse, aber wenigstens klug dazu.
Chilenen - und hier gebe ich zunächst wieder die Meinung von vielen anderen Chilenen wider - verschulden sich nämlich deshalb, weil sie gerne zur nächsthöheren sozialen Klasse gehören möchten, obwohl sie sich gleichzeitig aufs Übelste über die "Mitglieder" dieses Segments beschweren bzw. lästern (wobei Chile da ja nicht das einzige Land sein soll). Hierzu kann ich keine auf ausreichend eigene Erfahrungen gestützte Aussage treffen, halte die These aber zumindest für sehr plausibel.

domingo, 4 de noviembre de 2012

Viajes y Vistas Teil 5: Las Torres del Paine

Im Oktober hatte ich für vier Tage die Möglichkeit, mit meinem Vater das Reiseziel Chiles schlechthin anzusteuern: Der Nationalpark Torres del Paine (ungefähr "Türme des Blauen" oder "Türme im Blauen"), dessen Hauptattraktion - oh Wunder - gleichnamige Berge sind, alle drei zwischen 2500 und 3000 Metern hoch. Für alle Freunde der Fotos sei hier gleich schon gesagt, dass dieser Eintrag ein sehr bildlastiger wird. Ich hoffe, er weiß den ein oder anderen Mund wässrig zu machen *hihi*.

Ansichten aus dem Flugzeug 

Die drei Türmchen

 Ohne Türmchen, aber immer noch die Anden!


Wir unternahmen eine organisierte Tour, der Ausflug war demnach nicht ganz so abenteuerlich, wie das vielleicht von so manchem erwartet worden wäre. Allerdings hat das heftige Unwetter am letzten unserer Wandertage doch für eine ordentliche Prise Salz in der Suppe gesorgt.
Wie die meisten Wanderer im Nationalpark haben wir uns auf die sogenannte "W-Route" gewagt, die erstaunlicherweise in Form eines W das Bergmassiv entlangläuft.

1. Tag: Transport zum Nationalpark

Da man von Santiago knapp 3000 Kilometer südlich bis Punta Arenas fliegt, von dort aus aber dann über Puerto Natales knapp fünf Autostunden bis zum Nationalpark benötigt, kann man sich nicht direkt vom Flughafen ins Abenteuer stürzen. Allerdings hatte auch die Fahrt einige Schmankerl zu bieten.

Der berühmte "Fuß des Inka" in Punta Arenas. Hier hat niemals ein Inka einen Fuß hingesetzt, aber im Andenbereich wird ohnehin alles mit "Inka" betitelt, wenn man Touristen anziehen möchte. Angeblich wird man noch einmal an diesen Ort zurückkehren, wenn man ihn anfasst.

 Punta Arenas von schräg oben. Sieht aus wie eine chilenische Stadt im Süden. Verwunderlich...

Nach knapp zwei Stunden Fahrt erreichten wir dann Puerto Natales, wo wir einen kurzen Zwischenstopp einlegten und beim Wegfahren dieses Foto schossen:

 Danach haben wir bei der Cueva del Milodón (Höhle des Milodon) vorbeigeschaut, wo man vor knapp hundert Jahren Hautfetzen eines eben Milodon genannten Riesenfaultiers gefunden hat.

Ich mach dich kaputt, Junge!

Stieler-Doppelpack!

Das Reiseführerfoto aus der Höhle heraus, allerdings von uns selbst geschossen. Haha!


 Und weiter ging die Fahrt vorbei an atemberaubenden Landschaften...




Guanacos - in diesem Nationalpark die einzigen Vertreter der lamaähnlichen Arten (Alpaca, Vicunas, Lamas gibt es noch), dafür in rauen Mengen!

 Wandern, Tag 1

 Am ersten Tag des tatsächlichen Wanders hatten wir die ganze Zeit Sonne, was für Patagonien durchaus untypisch ist. Wie man sich vorstellen kann, hielten sich unsere Beschwerden in Grenzen.

 Auch die Pflanzenwelt hat es verdient, hier mal gezeigt zu werden.




 Letzten Winter hat ein Volltrottel bei dem Versuch, sein Klopapier zu verbrennen, 18.000 ha des Nationalparks abgefackelt. Das hatte immerhin den positiven Effekt, dass inzwischen viele Chilenen um die Existenz dieses Eilands (fast) unberührter Natur wissen und in größeren Massen denn je angeströmt kommen. Der Nationalpark finanziert mit seinen Einnahmen fast alle anderen Parks in Chile mit.

 Überfahrt eines Sees im Schnellboot. Bei dem herrschenden Wetter beste Voraussetzungen für überragende Fotos!

 Wieder am Wandern...






 Kurze Pause!

 Das war unser Zielpunkt mit ziemlich guter Aussicht - von dort haben wir den Rückweg angetreten.

Wandern - Tag 2

Tag zwei war geprägt von leichtem bis mittelstarkem Regen, was laut unserem Führer den Vorteil hat, dass man das Gletschereis nur bei diesem Wetter in seinem faszinierenden stahlblau bewundern kann. Siehe unten...


 Vorm Übersetzen auf das Beiboot, um schließlich den Grey-Gletscher aus der Nähe zu betrachten.
 Gletscher gucken mit Pisco Sour. So lebt sich's gut!
 Diese Fotos können nicht mal ansatzweise die Pracht und das Ausmaß des Eindrucks darstellen, die der Gletscher auf einen aus der Ferne wie aus der Nähe macht. Aber das gilt wahrscheinlich für alle gezeigten Fotos...





 Der Gletscher hier mit der "nebenan" liegenden Bergkette.

Wandern - Tag 3

Der dritte Tag sollte das schwierigste Stück des Weges werden, allerdings auch mit dem klassischen Ausblick auf die drei "Torres" mit einem strahlend blauen See im Vordergrund als Belohnung. Allerdings machte uns das patagonische Wetter einen Strich durch die Rechnung und suchte uns mit einem regelrechten Sturm heim: Peitschender Wind, strömender Regen und steile Anstiege sowie technische Probleme (das Lid der Kamera schloss nicht richtig, sodass das Glas immer beschlagen war und die Fotos kacke wurden) sorgten dafür, dass die Fotoaktivität sich hier doch in engen Grenzen hielt. Dennoch fingen wir zum Beispiel diesen Gaucho bei der Arbeit ein.

 Es galt an diesem Tag, eine wacklige Brücken zu überwinden, auf denen man sich oft nur zu zweit oder gar alleine aufhalten durfte. Gruselig!

 Der Aussichtspunkt der Torres del Paine. Im Vordergrund mein sensationelles Mülltüten-Regencape und im Hintergrund eine Nebelwand aka "dort wo die Türme sein sollten".



 Der Lohn des Sturms: Auf der Fahrt zurück nach Punta Arenas bekamen wir herrliche Landschaften voller grüner Pampa vor schneebedeckten Bergen zu sehen!

 So stellt man sich eine Straße in einer der entlegensten Ecken der Welt vor. Man stelle sich vor, hier gibt es nirgendwo (!!) Handynetz.