lunes, 29 de octubre de 2012

Eine Woche in Santiago

Ich habe mir gedacht, jetzt wo ich schon so lange hier wohne, lasse ich euch mal kurz daran teilhaben, wie eine Woche hier abläuft und welche landestypischen Eigenheiten einem dabei über den Weg laufen.

Montag: Die Uni-Woche geht wieder los, wie üblich. Der Professor von "Geschichte Chiles, 20. Jahrhundert, eine Art chilenischer Karl Marx und eine echte Koryphäe, kommt 10 Minuten zu spät und überzieht 20, wie üblich. Gabriel Salazar Vergara vertritt Thesen, die radikal gegen das chilenische Establishment gehen, begründet sie aber allesamt sehr, sehr gut. Beispielsweise sagt er, die "demokratischen" Regierungen der letzten 20 Jahre hätten allesamt schlicht die Politik der Pinochet-Regierung weitergeführt, mit derselben Verfassung und denselben Grundzügen der Gesellschaft. Nach einer Stunde in seinem Klassenraum fällt es schwer, ihm nicht zuzustimmen.

Zum Mittagessen kaufe ich mir einen Kaffee und ein Sandwich mit Avocado und Käse am Kiosk und bestaune wie eigentlich jeden Tag die außergewöhnlichen Kleidungsstile der alternativsten Fakultät der Universidad de Chile. Während manche Männer bartmäßig einen auf Che machen und mehr oder weniger erfolgreich dabei sind, sehen viele Frauen aus wie rückwärts durch die Altkleidertonne gezogen (und dazu noch eine hässliche Leggins). Sympathisch sind sie aber :).

Am Nachmittag habe ich ein Seminar, 11 von 15 angemeldeten Studenten sind da, ein Rekord.

Dienstag: Ich habe nie vor 12 Uhr Unterricht, gehe heute aber trotzdem nicht hin. Am Ende der Woche werde ich nur eine von acht Klassen geschwänzt haben, ein guter Schnitt.
Im Seminar am Nachmittag reden wir mehr als die Hälfte der Klasse über die dramatischen Vorgänge, die sich am vergangenen Donnerstag auf dem Campus abgespielt hatten: Während eines Vortrags über den arabischen Frühling startet ein Haufen Vermummter mal wieder eine Aktion gegen die Polizei mit Molotov-Cocktails.(wahrscheinlich Mittelstufenschüler. Die Professorin begründet das so: Die Studenten von hier sind doch alles Veganer und deshalb spindeldürr. Die Mittelstüfler dagegen "sind alle McDonalds" und als solche leicht zu identifizieren). Irgendwann rennt völlig überraschend der Redner aus dem Saal und fängt an, mit Steinen auf die Unruhestifter zu werfen. Er endet mit einem Flaschenhieb im Krankenhaus.

Mittwoch: Der allwöchentliche Encapuchado- Besuch fällt heute auf den Mittwoch, an dem ich unifrei habe. Glück gehabt. Tränengas ist nicht so toll, habe ich bereits ein paar Mal festgestellt.

Donnerstag: Da Studenten für 18 Uhr einen Protestmarsch angesagt haben, hält Herr Salazar es nicht für nötig, seine Klasse zu halten. Ein gringo wagt es unsinnigerweise, seinen HiWi nach einem Prüfungstermin zu fragen. Ich frage währenddessen Kommilitonen, ob nachmittags Klassen stattfinden werden oder wegen der Demo am Abend eben nicht. Ich befragte fünf Personen und erhalte gefühlte sieben Antworten. Da mir das Phänomen bekannt ist, resigniere ich nicht.

Ich esse in der kleinen Mensa, die von der Effizienz an eine Bastelstunde mit Tabaluga erinnert. Das Essen ist allerdings völlig in Ordnung.

Um exakt 14.20 liege ich sanft dösend auf dem Gras, als die Erde für etwa zehn Sekunden leicht zu ruckeln anfängt. Ein temblor, also ein leichtes Erdbeben. Jetzt gilt es Initiative zeigen, denn wenn man seine Liebsten anrufen möchte, geht das nur während des Bebens. Danach ist das Netz erstmal für ne Stunde überlastet :).

Der Professor im Seminar befragt jeden Studenten einzeln, was er zum Zeitpunkt des temblors gemacht hat, um dann zu erzählen, wo er selbst war. Am Anfang der Stunde sind wir vier, nach einer Stunde schon elf, wobei jeder Neuankömmling natürlich ebenfalls gefragt wird, womit er während des denkwürdigen Zuckelns der Erdplatten beschäftigt war.

Von draußen hört man währenddessen einige Studenten Gitarre spielen und jemanden dazu singen. Der Professor zu den Gesangskünsten: "Warum können die Vermummten nicht mal an so einem Tag kommen?"

Freitag: Leider muss ich auch freitags in die Uni, aber nur für eine Vorlesung, also alles im Lot. Es ist schwierig, dem Prof zu folgen, denn von draußen tönt das Geschrei der Tischfußballspieler (hier lautmalerisch taca taca genannt) ohrenbetäubend hinein. Chilenen gelten im lateinamerikanischen Vergleich als piola, also eher ruhig und zurückhaltend, aber am Tischkicker werden sie zu echten Tieren...

Ab 14 Uhr wird dann, und das ist vielleicht einzigartig in Chile, an allen Ecken und Enden auf dem Campus Bier und Pisco ausgepackt und hemmungslos gesoffen. Beliebtester Sammelpunkt dafür ist der cenicero ("Aschenbecher"), in dessen Mitte gerne ein Grill angezündet wird. Wenn man nicht weiß, wo man am Freitagabend hinsoll, kommt man einfach hierher und trifft ein paar Kommilitonen, mit denen man ansonsten zwar nichts zu tun hat, aber Alkohol verbindet ja bekanntlich und Chilenen teilen sowieso gerne.

Samstag: Eigentlich soll ich ein Basketballspiel mit der Uni-Mannschaft haben. Santiago steht unter Wasser, die Sporthalle auch, was mir aber nach einer Stunde Busfahrt erst fünf Minuten vor Ankunft mitgeteilt wird. Bööh.

Sonntag: Was man sonntags halt so tut.

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